Aus dem Bezirk NRW vom 12. Juni 2006:
Die neue Spirit ist da: 03/2006 - Kritik
"Wie kann man Kritik üben, ohne zu verletzen? Wie geht man mit unsachlicher Kritik um? Wer darf wann was kritisieren? Diese Fragen beantwortet Kommunikationsfachmann Oliver Groß. Seine These: Auch Jesus hat kritisiert – aber richtig. Auch wem welche Kritik weitergeholfen hat, ist in dieser Ausgabe nachzulesen. Kritik und Kirche – ein Gegensatz? Nicht unbedingt, sagt Stammapostel Wilhelm Leber."
Die Juni-Ausgabe der Spirit ist vor wenigen Tagen erschienen. In Absprache mit dem Verlag Bischoff bieten wir euch aus "Das junge Magazin für neuapostolische Christen" einen Artikel aus dem Titelthema zum Lesen und als PDF-Datei zum Download.
Interessierte können Spirit beim Verlag Friedrich Bischoff für 2,99 Euro je Heft abonnieren. Ebenfalls möglich ist ein Schnupper-Abo. Drei Ausgaben kosten dann 5,10 Euro Spirit erscheint alle zwei Monate.
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„Auch Querdenker werden gebraucht“
– Wie gehen wir heute mit Kritik in der Kirche um?
„Berechtigte Kritik nehmen wir zu Herzen, unberechtigte Kritik nehmen wir zur Kenntnis.“ Eine solche Aussage aus dem Mund von Stammapostel Richard Fehr klingt wie ein Paukenschlag. Was noch vor wenigen Jahrzehnten kaum jemand auszusprechen wagte – dass Kritik auch berechtigt sein kann –, wird heute kaum noch in Frage gestellt.
Meinungsverschiedenheiten in der Kirche Wann darf kritisiert werden? Sind Kritik und Meinungsverschiedenheiten in der Kirche überhaupt angebracht? Diese und ähnliche Fragen stellen sich, wenn die beiden Stichworte Kritik und Kirche fallen. Ein Blick in das Leitbild „Dienen und Führen in der Neuapostolischen Kirche“ gibt ebenso klare wie überraschende Antworten:
– „In einer offenen Gemeinschaft werden Meinungsverschiedenheiten miteinander besprochen.“
– „Eine echte Einheit kann nur erreicht werden, wenn […] geistige Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Meinungen gezeigt wird, auf starres Festhalten am eigenen Standpunkt verzichtet wird und angstfrei miteinander kommuniziert werden kann.“
– „Mit berechtigtem Lob und Tadel soll nicht zurückgehalten werden, wobei das Aussprechen möglichst in zeitnahem Zusammenhang mit der Handlung erfolgen soll.“
Auch Stammapostel Wilhelm Leber erklärte – damals noch als Bezirksapostel – in einem Seelsorgebrief zum Thema „Umgang mit Kritik“: „Das Hinterfragen von Äußerungen oder gar Entscheidungen wird heutzutage durchaus als normal empfunden. Es kann der Klarstellung und Präzisierung dienen. Entscheidend ist nur, dass es nicht aus besserwisserischem oder hochmütigem Geist erfolgt.“
Abweichende Meinung –
und dennoch im Glauben gehorsam?
Was genau lässt die beiden Begriffe Kritik und Glaube als Gegensätze erscheinen? Bezirksapostel Leber stellte dazu in einem Seelsorgebrief unter dem Stichwort Glaubensgehorsam klar: „Hinsichtlich des geistgewirkten Worts der Predigt kann der Herr in der Tat Gehorsam erwarten. Dasselbe gilt, wenn in Familienbesuchen und Versammlungen in nahtloser Übereinstimmung mit dem Wort der Predigt Rat erteilt wird.
Nun wollen wir aber nüchtern genug sein, um zu erkennen, dass nicht jede Anordnung, die wir treffen, und nicht jeder Rat, den wir im persönlichen Gespräch erteilen, aus dem Heiligen Geist kommen. Insbesondere ist das der Fall, wenn es um natürliche Angelegenheiten geht. […] In diesem Zusammenhang Glaubensgehorsam zu erwarten,ist im Allgemeinen nicht weise. […] Jeder Betroffene hat daher selbstverständlich das Recht, auch eine abweichende Meinung zu äußern. Das ist kein Zeichen mangelnden Glaubensgehorsams, sofern es dabei nur um die Sache selbst geht und keine Rechthaberei betrieben wird.“
Fähigkeit zur Selbstkritik
Eine der im Leitbild „Dienen und Führen“ formulierten Anforderungen ist Kommunikations- und Kritikfähigkeit. Diese beinhaltet nicht nur die Kompetenz, Anderen durch das Offenlegen und Ausräumen von Fehlern weiterzuhelfen, sondern auch die Bereitschaft, das eigene Verhalten zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
Damit nicht genug zum Thema Selbstkritik: „Die weit verbreitete Befürchtung, das Zugeben eines Fehlers sei mit einem Verlust an Ansehen verbunden, erweist sich meist als grundlos. Das Zugeben eines Fehlers baut Barrieren ab, bringt Anerkennung und schafft sogar Vertrauen.“ Kritik selbst zulassen will ebenso gelernt sein wie andere kritisieren – und ist genauso notwendig.
Kritik – in der Praxis
„Das Zusammenwirken der Glaubensgeschwister zeichnet sich nicht dadurch aus, dass keine Konflikte bestehen, sondern in der Art und Weise, wie diese gelöst werden.“ Und auch über diese Art und Weise lässt das Leitbild nicht im Unklaren: „Offene Gespräche“ müssen geführt werden, denn wo Offenheit im Dialog und „regelmäßige Zusammenkünfte“ fehlen, „entsteht Unsicherheit und es kommt zu Missverständnissen“.
Das Leitbild gibt konkrete Ratschläge, wie ein Kritikgespräch zu führen ist: Wichtig sei zunächst immer „zwischen Wesen der Person und Handlung in der Sache zu trennen. Vielfach wird in guter Absicht gehandelt, jedoch werden oft unbewusst Fehler gemacht.
Es geht darum, den Ursachen nachzugehen, und nicht, nach Schuldigen zu suchen. Allerdings muss auch die Bereitschaft vorhanden sein, in Fällen, in denen Probleme ihre Ursachen im fehlenden Format einzelner Amtsträger und Beauftragter haben, diese anzusprechen oder gegebenenfalls personelle Veränderungen vorzunehmen.“
Erstarrungen aufbrechen, damit Christi Wesen erlebt wird
„Konflikte beinhalten für alle Beteiligten auch die Möglichkeit, neue und bessere Lösungen zu finden.“ Ein deutliches Plädoyer für Kritikfähigkeit hält Stammapostel Leber: „Lasst uns Neues wirken! Das verstehe ich auch als Aufruf, überkommene Denk- und Handlungsweisen zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Wir wollen nicht aus Gewohnheit stur an alten Strukturen festhalten.“ Denn es „muss die eine oder andere Vorstellung verändert werden, um sie dem Bilde anzupassen, das Christus von seiner Gemeinde hat.“
Bisherige Besucherkommentare:
vom 15. Juni 2006, 20.48 Uhr
Endlich ist die Meinung, die viele Jugendliche haben, auch von oberster Stelle abgesegnet. Ich weiß nicht in wie vielen Jugendstunden abweichende Meinungen zu dem entsprechenden Thema heruntergeputzt wurden - und zwar vorwiegend von Jungendlichen. Gut, hierbei handelte es sich auch um sogenannte 150-prozentige, doch störte es mich trotzdem, da meine Schule immer auf eine aufgeklärte Erziehung (nach Kants Aufklärung...) Wert gelegt hat und damit den Grundstein zu einem kritischen Glauben legte. Ich habe aber auch schon von Hause aus eine aufgeklärte rationale Erziehung erhalten und empfand deshalb die Kirche in der Kritikfähigkeit oft als rückständig.
Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass man durch das Hinterfragen der Entscheidungen und Predigten beides besser verstehen und damit glauben kann, da man automatisch versucht die Gedankengänge nachzuvollziehen. Und sollte man dann mit irgendetwas nicht einverstanden sein, kann man seine abweichende Meinung wenigstens begründen. Deshalb ist sachliche Kritik etwas ganz wunderbares und auch für unsere Kirche geeignet!
Doch mit unserem jetzigen Stamapostel geht es ja in allen Bereichen spürbar aufwärts und ich bin ihm für die vernünftigen und auch von Vernunft geprägten Reformen überaus dankbar.
So, nun hoffe ich auf eine gute Umsetzung der neuen Stellungnahme, damit sich endlich etwas bewegt und die Kirche sich weiterentwickeln kann.
Alles Gute und viel Spaß beim Raisonieren
euer Simon
vom 17. Juni 2006, 17.44 Uhr
„Hinsichtlich des geistgewirkten Worts der Predigt kann der Herr in der Tat Gehorsam erwarten. Dasselbe gilt, wenn in Familienbesuchen und Versammlungen in nahtloser Ãœbereinstimmung mit dem Wort der Predigt Rat erteilt wird..."
Leber spricht nicht vom Gehorsam an das Wort der Predigt, sondern sein Zusatz *geistgewirkt* macht deutlich, dass er sehr fein unterscheidet. Dass er das tut, ist erfreulich. Er hält nicht fest, an der herkömmlichen neuapostolischen Wertung, die besagt, dass alles, was am Altar gesagt wird, von Gott sei. Die Fakten zeigen nämlich, dass in die Predigten allzu oft Menschliches hinein kommt. Manche dieser Äusserungen kann der Zuhörer schnell erkennen und gewissermassen abhaken oder ablehnen. Doch es bleiben die Grenzfälle, jene Passagen, die nicht unmittelbar dem nachlesbaren Evangelium entsprechen, aber dennoch durch den Prediger als göttliche Wahrheit apostrophiert sind. Wie geht der Zuhörer damit um? Hier handelt sicher nicht jeder gleichermassen. Der eine nimmt's als 'geistgewirkt', der andere fragt sich, ob er das als solches annehmen kann. Was macht man da? Es sollte Einigkeit unter allen bestehen, dass im Zweifelsfalle über die nicht so evangelen Passagen zumindest gesprochen, wenn nicht gar diskutiert werden darf. Ohne dass dadurch ein dadurch Beteiligter in den Ruf kommt, *ungehorsam* zu sein. Der Fragende oder Diskutant befindet sich dann wohl noch im Rahmen der Leber'schen Meinung, finde ich.
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